Neuigkeiten zu/von Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit

Redaktionsnetzwerk Deutschland, 27.09.2024:

„RND-Interview mit der BSW-Chefin

Wagenknecht: „Wir werden unsere Wähler nicht betrügen“

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht zeigt sich offen für ein Gespräch mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.

Das gab es noch nie: Eine Partei, die erst seit wenigen Monaten existiert, verhandelt in drei Bundesländern zugleich über Regierungsbeteiligungen. Dass beim Bündnis Sahra Wagenknecht alle Fäden bei einer Person zusammenlaufen, macht die Parteichefin im Interview klar. Und sie zählt auf, was in den Ländern unbedingt durchgesetzt werden müsse.

Jan Sternberg

Jan Sternberg

27.09.2024, 00:00 Uhr

Berlin. Am Wochenende der Brandenburg-Wahl lag Sahra Wagenknecht mit einem Infekt flach. Viel Zeit zum Auskurieren blieb der Parteichefin jedoch nicht – ihr Polit-Start-up ist in der entscheidendsten Phase seit der Gründung zum Jahresanfang. Die ersten Regierungsbeteiligungen in drei Bundesländern gleichzeitig sind zum Greifen nah. Und Wagenknecht will alle Fäden in der Hand behalten.

Frau Wagenknecht, nach Sachsen und Thüringen wird das BSW auch in Brandenburg über eine Koalition verhandeln. Sie haben persönliche Treffen mit den möglichen Regierungschefs zur Vorbedingung gemacht. Hat sich Dietmar Woidke schon bei Ihnen gemeldet?

Wir sind im Gespräch, und wir werden uns auch bald treffen.

Warum legen Sie so viel Wert auf dieses Gespräch? Sie haben sich ja mit Michael Kretschmer und Mario Voigt auch bereits getroffen. Geht es nur ums Kennenlernen – oder schlagen Sie schon ein paar Pflöcke ein, was das BSW auf jeden Fall haben möchte?

Erst einmal sind es natürlich Kennenlerngespräche. Ich möchte ein Gefühl dafür bekommen, ob hier eine vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist. Aber natürlich vermittle ich auch, was für uns essenziell ist. Wir sind eine junge Partei. Wir sind angetreten, die Politik zu verändern. Wir sind nicht angetreten, ein „Weiter so“ zu unterstützen. Und deswegen versuche ich, Verständnis dafür zu wecken, dass es eine Reihe von Forderungen gibt, die für uns nicht verhandelbar sind. Also die wesentlichen Inhalte, für die wir stehen, für die wir gewählt wurden. Das betrifft die Frage von Krieg und Frieden, das betrifft die Corona-Aufarbeitung. Das betrifft auch viele landespolitische Themen. Wir dürfen unsere Wählerinnen und Wähler nicht enttäuschen. Wir haben teilweise Wähler, die nach mehreren Wahlperioden unseretwegen zum ersten Mal wieder an die Wahlurne gegangen sind. Viele Menschen setzen große Hoffnungen in uns. Es wäre nicht nur politischer Selbstmord, sondern auch eine Sünde an der Demokratie, diese Menschen schon wieder zu enttäuschen.

Glauben Sie denn, dass die Gespräche mit der SPD allein in Brandenburg einfacher werden als mit CDU und SPD in den anderen beiden Ländern?

In Brandenburg haben wir bisher noch kein Gespräch geführt, deshalb weiß ich das nicht. In Sachsen und Thüringen kann man aber jetzt schon sagen, dass es mit der SPD vielfach nerviger ist als mit der CDU.

Welches sind Ihre roten Linien, und wie müssen sie umgesetzt werden? Muss es eine Bundesratsinitiative gegen US-Mittelstreckenraketen und für den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine sein, oder ist das Thema, das ja eigentlich nichts mit Landespolitik zu tun hat, auch anders umzusetzen?

Es geht darum, dass die Landesregierungen das vertreten, was die große Mehrheit der Menschen im Osten möchte. Und das heißt, die Bundesregierung aufzufordern, endlich mehr auf Diplomatie statt immer nur auf Waffen zu setzen. Die Strategie, den Krieg durch Waffenlieferungen zu beenden oder durch immer mehr Waffen zu entscheiden, ist gescheitert. Und die Landesregierungen müssen auch eine klare Position zur Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen beziehen, die zwei Drittel der Menschen im Osten ablehnen. Das sollte in die Präambel des Koalitionsvertrags. Daraus kann dann auch eine Bundesratsinitiative erwachsen, vor allem aber sollte die Landesregierung öffentlich diese Position vertreten. Wir wollen, dass es eine breite Debatte in Deutschland zu diesem Thema gibt. Das ist eine existenzielle Frage, denn die Raketen erhöhen das nukleare Risiko für Deutschland massiv, wie unter anderem Oberst Wolfgang Richter in einer sehr lesenswerten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung dargelegt hat.

Bestehen Sie darauf, dass es einen Corona-Untersuchungsausschuss auf Landesebene gibt?

Ja, auf jeden Fall, ich halte das für sehr wichtig. Noch besser wäre ein Bundestags-Untersuchungsausschuss, weil viele Entscheidungen auf Bundesebene gefallen sind. Den versuchen wir jetzt zu erreichen. Wir haben an alle Fraktionen unseren Antrag geschickt.

Nur die AfD hat Zustimmung signalisiert. Sie brauchen aber ein Viertel der Abgeordneten. Sie wussten vorher, dass das nichts wird.

Auch in der FDP und in der CDU gab es Stimmen, die sich für eine Aufarbeitung eingesetzt haben. Sie sollten jetzt Farbe bekennen. Das Quorum ist natürlich relativ hoch. Es kann sein, dass wir den Untersuchungsausschuss erst in der nächsten Wahlperiode durchsetzen können. Auf Landesebene sieht das anders aus, dort sollten unbedingt Untersuchungsausschüsse eingerichtet werden. Da kann es zwar nur um die landespolitischen Entscheidungen gehen, aber das ist auch einiges. 2G und anderes ist ja auch auf Landesebene entschieden worden, die Lockdown-Maßnahmen, die Schulschließungen, da gab es immer auch Spielraum der Länder. Und diese gravierenden Fehlentscheidungen müssen endlich aufgearbeitet werden.

Die AfD hat in Brandenburg bereits einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt. Die Ergebnisse waren überschaubar. Braucht es noch einen?

Die Sachlage hat sich verändert durch die RKI-Protokolle, die jetzt ungeschwärzt zur Verfügung stehen und die Anhaltspunkte liefern, sich bestimmte Dinge genauer anzuschauen. Was wir in allen Ländern fordern, ist ein Corona-Amnestie-Gesetz. Es gibt ja immer noch laufende Verfahren. Dass man die sofort einstellt, wäre der erste Schritt. Den will ja jetzt offenbar sogar Bayern gehen. Aber diejenigen, die verurteilt wurden und Strafen wegen Verstößen gegen zweifelhafte Regeln gezahlt haben, darf man auch nicht im Regen stehen lassen. Sie müssen entschädigt und die Urteile aufgehoben werden. Slowenien hat das schon 2023 gemacht.

Was wären Ministerien, was wären Politikbereiche, in denen das BSW zeigen möchte, was es kann und was es will?

Da gibt es zwar Vorstellungen, aber das ist der letzte Punkt, über den wir verhandeln. Wir müssen uns ja erst mal inhaltlich einigen, etwa in der Bildungspolitik. Wir wollen, dass Smartphones und Tablets aus der Grundschule verbannt werden. Dass wieder viel mehr Wert gelegt wird auf Kenntnisse statt auf wolkige Kompetenzen, darauf, dass jedes Kind erst mal ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernt. Der Lehrermangel muss vor allem in den Kernfächern überwunden werden, also in Mathematik, Naturwissenschaften und Deutsch.

Wie ist Ihre Rolle, wenn in drei Landeshauptstädten gleichzeitig von unterschiedlichen Teams verhandelt wird? Wird alles, was in den Ländern verhandelt wird, dem Parteivorstand in Berlin noch einmal vorgelegt, wenn man einen Schritt weitergekommen ist?

Selbstverständlich schauen wir, dass wir in allen Ländern im Großen und Ganzen mit ähnlichen Forderungen in die Gespräche gehen. Wir stimmen uns ab: Was ist verhandelbar? Was ist unverhandelbar? Das ist ja eine Selbstverständlichkeit, das tun die anderen Parteien auch. Wenn wir darauf verzichten würden, dann würden wir zerrieben.

Es gab Gerüchte, dass Ihr Mann Oskar Lafontaine im Hintergrund mitwirken soll als erfahrener Verhandler. Stimmt das?

Unsinn.

Sie haben vier Wahlkämpfe geführt, jetzt kommen drei Koalitionsverhandlungen – aber bis zur Bundestagswahl in einem Jahr haben Sie dann etwas Zeit zum Durchatmen und zum Parteiaufbau?

Wir haben noch nicht endgültig entschieden, ob wir an der Bürgerschaftswahl in Hamburg im nächsten März teilnehmen. Wir hätten gute Chancen, in die Bürgerschaft einzuziehen. Aber entscheidend ist, ob wir eine solide und qualifizierte Liste aufstellen können. Daran arbeiten wir. Was das Luftholen angeht: Das könnte relativ kurz ausfallen. Ich halte es für eine offene Frage, ob die Ampel wirklich bis zum September nächsten Jahres durchhält.

Werden Sie zur Bundestagswahl auch Direktkandidaten aufstellen – und werden Sie selbst auch versuchen, einen Wahlkreis direkt zu gewinnen?

In einer Reihe von Wahlkreisen werden wir direkt kandidieren. Bei mir selbst ist es noch offen. Der Vorteil wäre sicherlich, dass ich einen Wahlkreis auch gewinnen könnte. Was dagegen spricht, ist, dass ich im Bundestagswahlkampf bundesweit auf den Straßen und Plätzen präsent sein muss.

Würden Sie im früheren Wahlkreis von Gesine Lötzsch in Berlin-Lichtenberg antreten, den die Linkspartei bisher direkt gewinnen konnte?

Wie gesagt, weder das Ob noch das Wo ist bisher entschieden.

Werden Sie als Kanzlerkandidatin antreten?

Dieser Titel hat sich inzwischen ziemlich abgenutzt. Die Grünen sind in einigen Umfragen mittlerweile einstellig. Wenn sie trotzdem einen Kanzlerkandidaten aufstellen, ist ja irgendwann jede Partei gefordert, das Gleiche zu tun. Eigentlich sollte eine Partei, die einen Kanzlerkandidaten kürt, mindestens solide im zweistelligen Bereich sein. Das sind wir noch nicht. Wir haben erste Umfragen, wo wir bei 10 Prozent stehen, aber das wechselt. Das ist nicht die Position, aus der heraus man realistisch einen Kanzler stellen kann. Aber in Deutschland ist vieles in Bewegung. Und natürlich hoffen wir, dass wir unseren Rückhalt weiter ausbauen können.

Noch einmal konkret zur Ihrer Rolle in den Verhandlungen in Dresden, Erfurt und Potsdam: Sabine Zimmermann, Katja Wolf und Robert Crumbach sprechen dort mit den jeweiligen anderen Parteien, und am Ende sagen Sie: „Sabine, Katja, Robert, in den und den Punkten habt ihr euch über den Tisch ziehen lassen. Da müssen wir noch mal rangehen.“ Oder wie muss man sich das vorstellen?

Ich hoffe mal nicht, dass wir uns über den Tisch ziehen lassen. Aber wir werden sehr eng koordinieren, was wir in den einzelnen Ländern verhandeln, weil das alle anderen Parteien auch tun. Wenn wir eine wichtige Forderung in einem Land aufgeben, werden wir sie dann auch in den anderen Ländern nur noch schwer durchsetzen können. Um eine starke Verhandlungsposition zu haben, müssen wir abgestimmt handeln. Und wir werden am Ende natürlich auch abgestimmt entscheiden: Reicht es oder reicht es nicht? Das ist ja eine für die Gesamtpartei zentrale Frage.

Inwiefern?

Wenn wir unsere Wählerinnen und Wähler enttäuschen würden, würde das bundesweit wahrgenommen. Ich kann mich noch gut erinnern, was passierte, als die damalige PDS in Berlin 2001 gemeinsam mit der SPD eine richtig schlechte Regierung gebildet, Hunderttausende Wohnungen privatisiert und harte soziale Einschnitte durchgesetzt hat. Ein Jahr nach der Bildung dieser Regierung ist die PDS aus dem Bundestag geflogen. Im Gegensatz zur damaligen PDS sind wir eine sehr junge Partei. Wenn wir in eine Regierung gehen, wo die Leute nach einem halben Jahr sagen: „Jetzt haben wir euch mit großer Hoffnung gewählt, und es hat sich wieder nichts verändert“, dann würden wir das politisch nicht überleben. Wenn die anderen sich nicht wirklich bewegen wollen, dann ist unser Wählerauftrag die Opposition. Denn wir wurden für Veränderung gewählt, und wir werden unsere Wähler nicht betrügen.“

Quelle: https://www.rnd.de/politik/wagenknecht-mit-der-spd-ist-es-vielfach-nerviger-als-mit-der-cdu-BJT6RH2KCJBBHJP7XRX4WEY25Q.html

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X Twitter, 06.05.2024:

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X Twitter, 18.01.2024:

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SWR, 15.01.2024:

„BSW präsentiert Landtagsabgeordneten Hartenfels“

„Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat sich am Montag auch in Rheinland-Pfalz vorgestellt und dabei einen Landtagsabgeordneten präsentiert. Der Ex-Grüne Andreas Hartenfels ist Mitglied.“

Quelle:

https://www.ardmediathek.de/video/swr-aktuell-rheinland-pfalz/bsw-praesentiert-landtagsabgeordneten-hartenfels/swr-rp/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE5ODQyODM

Die Beweggründe, warum Andreas Hartenfels Bündnis 90/Die Grünen und die grüne Landtagsfraktion im Oktober verlassen hat, sind unter https://andreas-hartenfels.de/ nachzulesen (u.a. Ablehnung der restriktiven/autoritären Corona-Politik seiner alten Partei und deren Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine).

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BILD, 14.01.2024:

„Ampel und Scholz im freien Fall – Wenn am Sonntag Wahl wäre … – Riesen-Potenzial für Wagenknecht-Partei“

Quelle:

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/riesen-potenzial-fuer-wagenknecht-ampel-und-scholz-im-freien-fall-86740894.bild.html

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Nachdenkseiten, 09.01.2024:

Sahra Wagenknecht u.a. zur Corona-Aufarbeitung

„Am 8. Januar präsentierte Sahra Wagenknecht, zusammen mit mehreren Mitstreitern, unter anderem den beiden Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, dem Finanzexperten Fabio de Masi sowie dem ehemaligen SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, die neue Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) auf der Bundespressekonferenz und stellte sich den Fragen der Hauptstadtjournalisten. Die NachDenkSeiten wollten von Wagenknecht wissen, ob die neue Partei unter ihrer Führung eine Aufarbeitung des Regierungshandelns in der Corona-Zeit plant. Die Vorsitzende der neuen Partei bejahte dies und legte ausführlich ihre Vorstellungen dazu dar. Von Florian Warweg.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=109267